Creatin bzw. Kreatin gehört zu den beliebtesten und zugleich am besten erforschten Nahrungsergänzungsmitteln im Sportbereich. Es hilft Athleten dabei, Muskelmasse aufzubauen, die Kraft zu steigern und die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Dennoch taucht immer wieder dieselbe Frage auf: verursacht Creatin Haarausfall? Diese Sorge hat sich vor allem in sozialen Medien und Fitness-Foren stark verbreitet und verunsichert viele Menschen, die dieses ansonsten sehr effektive Supplement einnehmen möchten.
Die Angst vor Creatin-Haarausfall geht auf eine einzelne Studie aus dem Jahr 2009 zurück. Seitdem wird online intensiv diskutiert: Manche behaupten, Creatin habe bei ihnen zu Haarausfall geführt, andere berichten von keinerlei Problemen. Doch was sagt die Wissenschaft wirklich dazu? Werfen wir einen genauen Blick auf die Daten und trennen Fakten von Mythen.
Was ist Creatin?
Creatin (ebenfalls korrekt: Kreatin) ist eine natürliche Substanz, die der Körper selbst in Leber, Nieren und Bauchspeicheldrüse produziert. Es besteht aus den Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin. Der größte Teil des Creatins wird in der Muskulatur gespeichert, wo es eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung spielt.
Zusätzlich nehmen wir Creatin über die Nahrung auf, vor allem über rotes Fleisch und Fisch. Die Mengen sind jedoch relativ gering: Ein Kilogramm rohes Fleisch enthält etwa 5 Gramm Kreatin, wobei der Gehalt durch das Kochen weiter sinkt. Deshalb greifen viele Sportler und Fitnessbegeisterte zu Creatin-Supplements, um ihre Speicher gezielt zu erhöhen.
Wofür wird Creatin verwendet?
Creatin wird hauptsächlich zur Verbesserung der sportlichen Leistung eingesetzt. Studien zeigen, dass es den Muskelaufbau unterstützt, die Kraft steigert und die Performance bei kurzzeitigen, intensiven Belastungen wie Krafttraining oder Sprints verbessert.
Über den Sport hinaus gibt es Hinweise auf weitere mögliche Vorteile. Forschungen beschäftigen sich unter anderem mit positiven Effekten auf die Gehirnfunktion, die Regeneration nach Verletzungen und bestimmte neurologische Erkrankungen. Bei sachgemäßer Anwendung gilt Creatin als eines der sichersten und wirksamsten Supplements überhaupt.
Wie wirkt Creatin?
Bei intensiver körperlicher Belastung benötigen die Muskeln schnell verfügbare Energie.
Die körpereigenen ATP-Speicher sind begrenzt und werden bei Belastung rasch aufgebraucht. Genau hier kommt Creatin ins Spiel.
Creatin wird in den Muskeln als Phosphocreatin gespeichert. Während des Trainings gibt Phosphocreatin eine Phosphatgruppe ab, um ATP wiederherzustellen. So steht den Muskeln länger Energie zur Verfügung, was intensiveres und längeres Training ermöglicht. Vereinfacht gesagt sorgt Creatin für eine effizientere Energieproduktion bei hoher Belastung.
Creatin, DHT-Spiegel und Haarausfall
Die Sorge „Creatin führe zu Haarausfall?“ dreht sich hauptsächlich um ein Hormon namens Dihydrotestosteron (DHT). Um den Zusammenhang zu verstehen, muss man wissen, welche Rolle DHT spielt und warum angenommen wird, dass Creatin darauf Einfluss haben könnte.
Der Zusammenhang zwischen Creatin und Haarausfall: Woher stammt das Gerücht?
Der Ursprung der Diskussion liegt in einer Studie aus dem Jahr 2009, veröffentlicht im Clinical Journal of Sports Medicine. Untersucht wurden 20 männliche Rugbyspieler aus Südafrika, die Creatin einnahmen.
Die Probanden folgten einem Ladeprotokoll: 25 Gramm Creatin täglich über sieben Tage, anschließend 5 Gramm täglich für weitere zwei Wochen. Die Forscher stellten fest, dass der DHT-Spiegel nach der Ladephase um 56 % anstieg und während der Erhaltungsphase etwa 40 % über dem Ausgangswert blieb.
Da DHT mit androgenetischem Haarausfall bei genetisch veranlagten Personen in Verbindung steht, entstand schnell die Annahme, Creatin-Haarausfall sei die Folge. Doch diese Schlussfolgerung ist problematisch, wie die weiteren Details zeigen.
Was ist DHT und wie hängt es mit Haarausfall zusammen?
DHT ist ein Hormon, das wichtige Funktionen in der männlichen Entwicklung erfüllt, aber auch die Haarfollikel auf der Kopfhaut beeinflussen kann.
Bei genetischer Veranlagung bindet DHT an Androgenrezeptoren der Haarfollikel. Dies führt zu einer allmählichen Verkleinerung der Follikel (Miniaturisierung). Die Haare werden dünner und kürzer, bis das Wachstum schließlich ganz ausbleibt.
Wichtig ist: DHT verursacht Haarausfall nur bei Menschen mit entsprechender genetischer Empfindlichkeit. Nicht jeder mit erhöhtem DHT-Spiegel bekommt Haarausfall. Zudem reagieren unterschiedliche Bereiche der Kopfhaut unterschiedlich stark – Stirn und Tonsur sind besonders empfindlich, Seiten und Hinterkopf meist resistent.
Wie beeinflusst Creatin den DHT-Spiegel?
Hier wird die Datenlage deutlich differenzierter. Die Studie von 2009 zeigte zwar einen DHT-Anstieg, doch mehrere wichtige Punkte werden oft übersehen:
Erstens war die Teilnehmerzahl mit 20 Personen sehr gering. Zweitens wies die Creatin-Gruppe ungewöhnlich niedrige Ausgangs-DHT-Werte auf (23 % niedriger als die Placebo-Gruppe). Der Anstieg führte lediglich in den Normalbereich, nicht darüber hinaus.
Drittens – und am wichtigsten – wurde kein tatsächlicher Haarausfall durch Creatin gemessen. Weder Haardichte noch Haarverlust wurden untersucht. Es handelte sich lediglich um eine theoretische Annahme.
Seit 2009 wurden zahlreiche Studien zu Creatin und Hormonen durchgeführt. Von 12 Studien zur Testosteronwirkung zeigten nur zwei einen Anstieg, zehn keinen Effekt. Fünf Studien untersuchten freies Testosteron (Vorstufe von DHT) – keine davon fand signifikante Erhöhungen.
Besonders relevant ist eine umfassende Studie aus dem Jahr 2025 im Journal of the International Society of Sports Nutrition. In dieser 12-wöchigen, randomisierten Studie mit 38 krafttrainierenden Männern wurden erstmals auch Haarfollikel direkt untersucht. Ergebnis: Keine Unterschiede bei DHT, Verhältnis DHT/Testosteron oder Haarwachstumsparametern zwischen Creatin- und Placebo-Gruppe.
Verursacht Creatin-Monohydrat Haarausfall?
Führt Creatin zu Haarausfall? Die wissenschaftliche Antwort lautet: nein. Creatin-Monohydrat ist die am besten untersuchte Form von Creatin. Trotz jahrzehntelanger Forschung mit Tausenden Teilnehmern gibt es keinen Nachweis dafür, dass es tatsächlichen Haarausfall verursacht.
Die Studie zu Creatin-Haarausfall von 2009 ist bis heute die einzige Arbeit mit erhöhten DHT-Werten – und wurde nie reproduziert. In der Wissenschaft gilt: Ergebnisse, die nicht reproduzierbar sind, haben eine geringe Aussagekraft.
Creatin-Monohydrat-Nebenwirkungen: Haarausfall?
Zu den dokumentierten Nebenwirkungen von Creatin gehören Wassereinlagerungen, leichte Magen-Darm-Beschwerden bei hohen Dosierungen und Muskelkrämpfe bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr. Haarausfall zählt jedoch nicht zu den Nebenwirkungen von Creatin-Monohydrat.
Die Annahme, Haarausfall durch Creatin sei eine typische Nebenwirkung, beruht überwiegend auf Internetberichten und nicht auf kontrollierten Studien.
Auswirkungen auf Männer und Frauen
Verursacht Creatin Haarausfall bei Männern? Die vorhandenen Daten sprechen dagegen, obwohl Männer generell anfälliger für androgenetischen Haarausfall sind. Auch hier konnte die Studie von 2025 keine negativen Effekte auf Haarfollikel oder Haardichte feststellen.
Für Männer mit bestehendem Haarausfall stellt sich oft die Frage, ob Creatin den Prozess beschleunigt. Aktuell gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Creatin und Haarausfall in diesem Sinne zusammenhängen.
Creatin-Haarausfall bei Frauen
Creatin-Haarausfall bei Frauen ist eine weitere häufige Suchanfrage im Internet. Frauen haben deutlich niedrigere Testosteron- und DHT-Werte, wodurch sie generell weniger anfällig für DHT-bedingten Haarausfall sind.
Die Studienlage zu Frauen ist begrenzt, zeigt jedoch keine erhöhte Haarausfallrate bei Creatin-Anwenderinnen. Tritt Haarausfall auf, sind meist andere Ursachen wie Stress, Hormonstörungen oder Nährstoffmängel wahrscheinlicher.
Creatin-Haarausfall-Studien: Die Evidenz
Zusammenfassend zeigt die wissenschaftliche Gesamtschau ein klares Bild. Eine kleine Studie aus 2009 mit methodischen Schwächen steht zahlreichen neueren Untersuchungen gegenüber:
- Nur 20 Teilnehmer
- Kein gemessener Haarausfall
- Ungewöhnlich niedrige Ausgangs-DHT-Werte
- Sehr hohe Dosierung (25 g/Tag)
- Keine Replikation der Ergebnisse
Demgegenüber stehen:
- 12 Testosteronstudien (10 ohne Effekt)
- 5 Studien zu freiem Testosteron (kein Effekt)
- Eine hochwertige Studie 2025 mit direkter Haaranalyse
- Jahrzehntelange Anwendung durch Millionen Menschen ohne auffällige Haarausfallraten
Verursacht Creatin Haarausfall? Wissenschaftliche Evidenz
Bewertet man alle Daten, lässt sich festhalten: Haarausfall durch Creatin wird wissenschaftlich nicht bestätigt. Es fehlt an konsistenter, reproduzierbarer Evidenz und an direkten Messungen von Haarverlust.
Worauf sollte man bei der Einnahme von Creatin achten?
Wenn du Creatin einnimmst oder darüber nachdenkst, helfen folgende Punkte:
Genetische Veranlagung
Die Genetik ist der wichtigste Faktor für Haarausfall. Eine familiäre Vorbelastung ist entscheidender als jedes Supplement.
Richtige Dosierung
Die empfohlene Standarddosis liegt bei 5 g täglich. Bekommt man von Creatin Haarausfall, wenn man 5 g pro Tag einnimmt? Nach aktuellem Stand: nein.
Ausreichend trinken
Creatin bindet Wasser in den Zellen. Eine gute Hydration ist wichtig – auch für die Kopfhaut.
Gesundheit ganzheitlich betrachten
Stress, Mangelernährung oder Schilddrüsenprobleme sind häufigere Ursachen für Haarausfall als Creatin.
Qualität des Supplements
Wähle geprüfte Produkte mit hoher Reinheit, um Verunreinigungen auszuschließen.
Maßnahmen zur Vorbeugung von Haarausfall
Unabhängig von Creatin helfen folgende evidenzbasierte Maßnahmen:
- Ausgewogene Ernährung mit ausreichend Protein, Eisen, Zink und Vitaminen .
- Stressmanagement.
- Schonende Haarpflege.
- Bewährte Therapien wie Minoxidil oder Finasterid (nach ärztlicher Beratung )
- Abklärung möglicher Grunderkrankungen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Creatin-Haarausfall ist ein weit verbreiteter Mythos. Die aktuelle Studienlage zeigt keine negativen Effekte von Creatin auf die Haargesundheit. Für die meisten Menschen ist Creatin sicher – auch in Bezug auf den Haarausfall.